Kreative Spinnerein von das Schreibfederchen - 1. Der Weg nach Tajintana


Der Weg nach Tajintana

Sailencia sitzt neben Sara im Klassenzimmer. Sie sind beide in der 8. Klasse der Realschule. Außerdem sind beide im S-Jahrgang geboren. Jedes Jahr gibt es einen Buchstaben, der den Anfangsbuchstaben der Namen der Kinder bestimmt. In der 8. Klasse waren viele aus dem S-Jahrgang und der Rest war aus dem P-Jahrgang. Die Klasse hat Matheunterricht bei Frau Schreiner. Keiner in der Klasse hat Lust auf Mathe. Alle meckern, schimpfen und fluchen, weil sie lieber draußen in der Sonne wären. Nur Sailencia sitzt still auf ihrem Platz und rechnet. Schaut euch mal diese Streberin an, schreit Sara in diesem Moment. Die ganze Klasse lacht. Sailencia rechnet still weiter, während Frau Schreiner die Klasse ermahnt. Nach fünf Minuten ist es wieder still in der Klasse. Leise flüstert Sara Beschimpfungen zu Sailencia. Du dumme Streberin, du Schlampe. Pass bloß auf, dass wir dich nicht kriegen!, flüstert sie. Sailencia ist immer noch still. Sie rechnet verbissen weiter, ohne nur einen Laut von sich zu geben. Da klingelt es zur Pause und schlagartig ist es wieder laut in der Klasse. Alle schreien durcheinander, packen ihre Sachen zusammen und rennen in die Pause. Als letzte verlässt Sailencia die Klasse. Sailencia, komm doch nochmal zurück, bittet Frau Schreiner sie. Sailencia geht wieder zurück in das Klassenzimmer. Ja, Frau Schreiner, antwortet sie leise. Sailencia steht völlig still da und schaut ihre Lehrerin an. Du bist fleißig und sehr gut in Mathe. Wenn du dich noch ein bisschen mehr anstrengst und auch mehr in den anderen Fächern machst, könntest du einen Jahrgang hochgestuft werden, sagt Frau Schreiner freundlich zu ihr. Sailencia lächelt schüchtern und antwortet: Vielleicht, ich werde mir Mühe geben. Schnell dreht sich Sailencia um und läuft aus dem Klassenzimmer hinaus in den Schulhof.
Der Schulhof gleicht einem Schwarm Bienen. Schüler rennen über den Hof, andere schreien herum, einige spielen Fussball und der rest von Ihnen sitzt irgendwo im Schatten und unterhält sich. Sailencia läuft zielstrebig an den ganzen Schülern vorbei, über den Sportplatz, bis sie schließlich das letzte Stückchen des Schulgeländes erreicht hat. Dort stehen drei alte Bäume, wie eine Mauer. Dahinter ist eine kleine Fläche Wiese, auf der eine alte, morsche Holzbank steht. Sailencia ist jede Pause hier. Sie setzt sich wie immer auf die Bank, trinkt ihre Limo und isst ihr Pausenbrot. Als sie fertig ist, zieht sie ihren Pulli aus. Sie breitet ihn auf der Wiese aus und legt sich drauf. Stumm liegt sie da und lächelt, während die Sonne auf sie scheint. Sailencia wünscht sich, endlich zu Hause zu sein. Mitten in diesen Gedanken hinein klingelt es wieder. Die Pause ist zu ende. Sailencia steht schnell auf, nimmt ihren Pulli und ihre Tasche und rennt zurück zu ihrem Klassenzimmer.
Vor dem Klassenzimmer steht Sara. Na, Sailencia, was macht das kleine Gartenparadies von dir?, fragt Sara sie verächtlich. Sailencia blickt Sara an und sagt fast flüsternd: Dem kleinen Gartenparadies geht es prächtig. Wie geht es denn deinem Lästermaul? Sailencias Augen fangen an böse zu funkeln. Sara tritt ganz nah an Sailencia heran und flüstert wütend: Pass auf! Ich hab dich gewarnt! Sailencia dreht sich um und geht ins Klassenzimmer. Sara bleibt noch kurz vor der Tür stehen, doch als sie sieht, wie Herr Gräser kommt, geht sie schnell ins Klassenzimmer. Sailencia sitzt wie immer still auf ihrem Platz. Sara bleibt beim ersten Tisch stehe und flüstert ihrer Freundin Shanai etwas zu. Sailencia bemerkt es, aber sie rührt sich nicht. Als Herr Gräser das Klassenzimmer betritt, sitzt Sara schon auf ihrem Platz. Saielncia holt ihre Deutschsachen aus ihrer Tasche und legt alles ordentlich auf den Tisch. Herr Gräser beginnt mit dem Deutschunterricht. Fleißig wie immer schreibt Sailencia mit. Sara neben ihr wird wütend und tritt Sailencia gegen das Bein. Sailencia beißt sich auf ihre Lippen, um keinen Laut von sich zu geben. Sara konnte schon immer gut und fest zu treten, doch bis jetzt hatte sie Sailencia noch nie getreten. Sailencia schaut wieder vor zur Tafel, als sei bemerkt, dass ihre Mitschüler sie verächtlich anlächeln. Sailencia erschaudert. Instinktiv weiß sie, dass nach der Schule, wenn sie nach Hause geht, etwas passieren wird. Sailencia sitzt weiterhin still auf ihrem Platz. Sie hat Angst. Ihr Angst wird immer größer, doch um nichts in der Welt will sie ihre Angst zeigen. Sailencia konzentriert sich genau auf den Unterricht. Zwischendurch schaut sie immer wieder auf die Uhr und zählt die Minuten, bis der Unterricht vorbei ist. Sailencia wird immer unruhiger. Das Ende der letzten Stunde rückt immer näher. Es fällt Sailencia immer schwerer, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Sie schweift immer wieder mit ihren Gedanken ab. Als Sailencia wieder einmal bemerkt, dass sie mit ihren Gedanken nicht beim Unterricht war, klingelt es zum Ende der Stunde.
Lärmend packen ihre Mitschüler ihr Sachen und rennen aus dem Klassenzimmer. Nur Sailencia lässt sich Zeit. Sie lässt sich sehr viel Zeit mit dem Zusammenpacken und ist schon seit fünf Minuten die Letzte im Klassenzimmer. Herr Gräser wird ungeduldig und fängt an zu meckern: Sailencia, beeil dich! Ich muss noch in eine andere Klasse! Deshalb beeilt sich Sailencia doch. Sie möchte keinen Ärger mit den Lehrern haben.
Sailencia verlässt das Klassenzimmer und Herr Gräser schließt hinter ihr ab. Langsam läuft sie durch das Schulgebäude und über den Schulhof. Sailencia hat schreckliche Angst, doch sie geht weiter. Es fühlt sich an, als würde sie von Watte umgeben sein. Eigentlich hat Sailencia keinen weiten Schulweg, doch in diesem Moment kommt ihr der Weg unendlich lang vor. Als Sailencia über die Kreuzung geht,ist sie fast schon in ihrer Straße. Nur noch ein kleines Stück gerade aus und dann nach rechts, in ihre Straße, gehen.
Plötzlich sieht sie ihre Mitschüler kurz vor ihrer Straße stehen. Einen kurzen Moment zögert Sailencia, doch dann geht sie weiter. Ihre Mitschüler kommen langsam auf sie zu. Sailencia ist jetzt fast gelähmt vor Angst. Schon stehen ihre Mitschüler vor ihr und in der nächsten Sekunde ist sie umzingelt. Na, Streberin, schreit ihr einer ins Ohr. Wer es war kann Sailencia vor Angst nicht feststellen. Ein anderer reißt ihr ihre Tasche weg. Jetzt schreien alle durcheinander. Streberin, Schlampe, Looserin, Lehrers Liebling, Idiotin, hagelt es von allen Seiten. Sailencia verliert jedes Zeitgefühl. Der Worthagel wird immer lauter und heftiger. Sailencia fühlt sich ganz klein. Sie versucht sich zu ducken und aus dem Kreis zu fliehen. Doch ihre Mitschüler bemerken es und fangen an, Sailencia herum zu schubsen. Dabei werden ihre Mitschüler immer brutaler. Sailencia schreit auf. Ihr Mitschüler fangen an sie auszulachen. Es dauert ein paar Minuten, bis Sailencia kapiert, dass sie ausgelacht wird. Sailencia spürt, wie ihre Augen brennen. Sie ist kurz davor, einfach loszuheulen. Da schreit Sara schon: Schaut mal! Unsere kleine Streberin heult. Ihr Mitschüler lachen nur noch lauter. Da verliert Sailencia jeden letzten Halt. Sie hat das Gefühl zusammen zubrechen.
Einen kurzen Augenblick sieht Sailencia nichts. Im nächsten Moment sieht sie eine Straße, darum eine Stadt. Auf der Straße stehen viele Menschen. Ein paar Menschen stehen in einer Art Kreis, in der Mitte ein Mädchen mit langen hellbraunen Haaren. Dieses Mädchen wird von allen Seiten geschubst, getreten und geschlagen. Sailencia erschreckt, als sie bemerkt, dass dieses Mädchen sie ist und die anderen Menschen im Kreis ihre Mitschüler sind. Sailencia versteht nicht, wie sie von oben alles beobachten kann, wenn sie doch da unten zwischen ihren Mitschülern ist. Sie ist völlig verwirrt und durcheinander, als sie eine leise Stimme hört. Tajintana, Tajintana, flüstert diese Stimme die ganze Zeit. Sailencia bemerkt, das es um sie herum wärmer wird, wenn sie der Stimme zu hört. Außerdem bemerkt sie, das ihr Körper gar nicht oben bei ihr ist, sondern unten bei den Mitschülern. Immer noch flüstert die Stimme Sailencia zu: Tajintana, Tajintana. Sailencia schreit auf. Sie möchte diese Stimme nicht mehr hören. Die Stimme macht ihr Angst, außerdem versteht sie das Wort Tajintana gar nicht. Doch die Stimme hört nicht auf, Sailencia zu zuflüstern. Komm nach Tajintana. Hab keine Angst!, flüstert sie ihr zu. Langsam wird Sailencias Angst weniger. Die Stimme flüstert unaufhörlich und beschwörend auf sie ein: Tajintana, Tajintana. Komm nach Tajintana. Hab keine Angst. Komm, sag einfach Tajintana. Leise fängt Sailencia an, den Namen Tajintana, zu flüstern. Immer lauter wird sie dabei und auch die Stimme wird immer lauter, bis sie schließlich schreit. Tajintana In dem Moment verschwindet die Stadt, die Straße und die Menschen.
Sailencia befindet sich auf einem Strand wieder. Fragend und neugierig schaut sie sich um. Sie versteht noch nicht, was das alles bedeutet, aber sie fühlt sich sicher.


 
Heute waren schon 13 Besucher (19 Hits) hier!

Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden